Die Brandmauer … ein etwas unglückliches Bild im Zusammenhang mit dem Osten der Bundesrepublik Deutschland, der bis 1989 tatsächlich mit Mauer und Stacheldraht bewehrt war. Republikflucht war seit jeher ein Problem der DDR … der „sogenannten DDR“, wie es die westdeutsche Sprachregelung dekretiert hatte. Die DDR-Ideologie gab indes vor, mit den Grenzbefestigungen das Einsickern von westlichen, feindlichen Elementen zu verhindern, die das Gedeihen des „Arbeiter- und Bauernstaats“ gefährden würden. Herbert Kickl hätte gesagt, Ostberlin hat die Festung DDR errichtet.
Die Bürger in Thüringen, Sachsen, Brandenburg (wo eine Woche vor Österreich gewählt wird) etc. reagieren offensichtlich allergisch, wenn man ihnen eine Mauer vor die Nase setzt, auch wenn es als Brandmauer gegen Rechtsextermismus gebrandet wird. Verständlich, oder?
In der dörflichen und kleinstädtischen Realität hat die Brandmauer gar nicht erst zu existieren begonnen. Dort leben die Menschen, die man an der Supermarktkasse trifft, die einem helfen beim Grillkamin, mit denen man „auf die in Berlin“ schimpft, selbst dann, wenn die in Berlin der eigenen Partei angehören. Die Realität in Thüringen, Sachsen, Brandenburg geht mit bürgerlicher Gelassenheit ihren Gang.
Hier gilt der kurze Amtsweg, der Handschlag besiegelt die Geschäfte, der Stammtisch funktioniert. Und nennt sich Sachpolitik. Wie auch in Niedersachsen, Hessen oder Bayern. Und: Hat schon jemand daran gedacht, eine Brandmauer gegen Söder zu errichten, beispielsweise?
Hier lebt und lebte das Ressentiment, diese Ausgeburt der Angst. Hier blühte seit eh und je das Ressentiment gegen alles Fremde; früher ging es spätestens am zweiten Tag mit dem Taschenfeitl gegen die Burschen aus dem Nachbardorf, später standen Sprüche zu Blut und Ehre auf dem Taschenmesser und man stach gemeinsam mit den Nachbarn Juden ab. Immer gut zu wissen, wer der Feind ist. Heute, im Zeitalter der Globalisierung, überschreiten Messer, Blut und Ehre nicht mehr die Grenzen von Gemeinden, sondern jene von Staaten, Kontinenten, von sich als Religionen gebärdenden Hassgemeinschaften. Man kennt das alles aus der eigenen Geschichte. Und man bekämpft es mit Vorliebe dort, wo es mit der eigenen Geschichte – scheinbar – nichts zu tun hat.
In Österreich kennen wir das. Seit immer schon. Eine rechtsextreme Partei musste hier nicht erst gegründet werden. Mindestens eine dominiert die Lufthoheit über den Stammtischen und besetzt Plätze in Gemeinderäten, Landesparlamenten und -regierungen. Man hat sich daran gewöhnt. Wir sind mit den Ewiggestrigen, den Neofaschisten, den radikalen Spießbürger:innen, den gedankenbefreiten Schwurblern und rassistisch Sattelfesten auf du und du. Brandmauer? Aber geh … mir wer’n doch kan Richter brauch’n!?
Kurze Anleihe bei Peter Handke, aus seinem Gedicht „Über die Dörfer“, 1981:
Bewege Dich in deinen Eigenfarben,
bis du im Recht bist und das Rauschen der Blätter
süß wird.
Geh über die Dörfer.
Ich komme dir nach.
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