Ein Akronym bildet aus den Anfängen verschiedener Wörter einen neues Wort – so wurde aus Billig und Laden der Markenbegriff BILLA, erfunden vom späteren Milliardär Karl Wlaschek. Unternehmergeist, der sich lohnte – 1996 konnte Wlaschek BILLA um 1,1 Milliarden an den deutschen REWE-Konzern verkaufen. Der auch als Barpianist („Charly Walker“) bekannte Wiener brachte es zu über 4 Milliarden Vermögen insgesamt. – zuletzt beschäftigte er sich mit Immobilien, und das offenbar erfolgreicher als Rene Benko.
Gestatten: der Hausverstand
Die BILLA-Markenstrategen lancierten 2007 einen Werbe-Scoop: Sie verliehen dem Hausverstand ein Gesicht und verkündeten auf allen Werbekanälen, dass er bei BILLA einkaufe – der Claim lautete: „BILLA sagt der Hausverstand“. Verkörpert wurde der Hausverstand durch den deutschen Schauspieler René Dumont.
Der Hausverstand wird gegendert
Spätestens seit der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die schwäbische Hausfrau als role model für die anzustrebende Gesinnung öffentlicher Haushalte vorstellte, war es an der Zeit, den grammatikalisch männlichen Hausverstand zu gendern. Die optische Reverenz an die einkaufenden Hausfrauen hieß seit 2016 Iréna Flury, stammte aus Wien und wurde im Volksmund als „die Hausverstand“ bekannt. „BILLA sagt mein Hausverstand“ lautete nun der geschlechtsneutrale Claim.
Es war nicht zu erwarten, dass irgendwer die – ganz nach Geschmack – Dummheit oder Chuzpe aufweisen würde, auf diesen lange abgefahrenen Zug neuerlich aufzuspringen. Der ehemalige Wiener Bürgermeister Häupl hatte einmal in einem klugen Sager Wahlkämpfe als Perioden verminderter Intelligenz bezeichnet.
So brüllen, wie ein anderer einmal gehört wurde
Besonders deutlich wurde das immer dann, wenn Politiker sich an erfolgreiche Werbeparolen erinnerten, die sich als Kopiervorlage zu eignen schienen. Gleich zwei Beispiele orientierten sich dabei an der legendären Werbelinie des Schuhverkäufers HUMANIC. Dort war unter der Ägide von Horst Gerhard Haberl der Franz geboren worden, ein Earcatcher getreu der Einsicht, dass man bei Werbesports zwar wegschauen, aber kaum weghören könne.
Zur Entstehung des franz gibt es allerlei Erzählungen, man gibt sich gern als Insider und druckt G’schichterln … eine der charmantesten, die mir zu Ohren gekommen sind, geht so:
H.G.Haberl hatte Axel Corti für die Gestaltung eines TV-Spots verpflichtet, in dem der Bildhauer Oswald Oberhuber rote, gelbe und blaue Quader explodieren ließ – zugleich Schlussun Ausgangspunkt einer neuen Werbelinie. Bis dorthin war HUMANIC brav und bieder aufgetreten, bequem wie ein Schuh sein sollte. Haberl, verwurzelt in der steirischen, künstlerischen Avantgarde, vertrat die Ansicht, die einzige Berechtigung, das Fernsehpublikum mit kommerziellen Zumutungen zu behelligen, sei die Konfrontation mit Avantgardekunst. Oberhuber machte den Anfang, und als man im Studio versammelt war, ließ man sich diese Provokation einer Sprengung von Sehgewohnheiten vorspielen und kam zur Meinung, es fehlte da noch ein Schlusspunkt. Optisch präsentiere ich das wie ein Orgasmus, befand Axel Corti. Das bräuchte noch eine akustische Übersetzung. Man überredete die zufällig anwesende Schauspielerin … man erzählt, es sei Christine Ostermayer gewesen … den Lustschrei eines intensiven Orgasmus zu mimen. Worauf die Studiobesatzung einen leidenschaftlich imaginierten „fraaanz!“ Zu hören bekam.
Man sei klug genug gewesen, dieses Geschenk des Augenblicks anzunehmen. Der unvergleichliche HUMANIC-Franz war in die Welt gekommen, als permanentes Ärgernis ebenso erfolgreich wie als Anker einer Kommunikationsstragie, die ein neues Kapitel in der österreichischen Werbegeschichte darstellte.
Anlehnen, statt auf eigenen Beinen zu stehen?
Freilich gab es Epigonen. Der damalige Grazer Vizebürgermeister Franz Hasiba versuchte sein Glück mir assoziativer Koppelung, wozu hieß man schließlich Franz? Ähnliches dachte sich wohl auch der Vorsitzende der SPÖ-NÖ, Franz Schnabl, als er eine landesweite Werbekampagne an HUMANIC anlehnte, bis hin zur Verwendung des Hand-Fuß-Signets der Schuhhändler.
Es gibt eine Gesetzmäßigkeit in der Werbung, die solche Kaperungen von Kreativität verhindern sollte: Wer sich aus fremden Werbeerfolgen bedient, stärkt damit den, der zuerst da war. Assoziationen landen immer bei dem, der den Kanal als Erster besetzt hat.
Da sowohl viele Politiker:innen als auch viele Entscheider:innen in der Wirtschaft Beratung eher als Anzeichen von Schwäche empfinden, sehen viele Kommunikationsstrategien so aus, wie sie aussehen.
Ein Beispiel, das sich nahtlos in diese Reihe misslungener Kaperungen einfügt, ist das jüngste Buch des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil, das er mit „Hausverstand“ betitelt hat.
Ich erspare uns die zahlreichen Wortspiele, die sich da anbieten. Sachlich ist festzuhalten, dass sowohl Schnabl mit seinem Franz wie auch Doskozil mit dem Hausverstand als Gag zu einem Zeitpunkt auftraten, also sowohl die Schuhhändler wie auch die Nahversorger längst auf andere Claims umgestiegen waren. Ein Sprichwort der Sioux lautet: „Wenn du bemerkst, dass das Pferd, das du reitest, tot ist, dann steig ab!“ Was sagt es über Politiker:innen aus, wenn sie sich am Gestern orientieren? Wenn sie als Konzentrat ihrer Botschaft die Kommunikationssignets aus der Wirtschaftswerbung usurpieren? Halten sie uns alle für Deppen?
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